Verschiedene Ansichten zum idealen System von mobilen Applikationen

Zufällig bin ich gestern Abend über eine Anzahl von Artikeln in meinem Feedreader gestolpert, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Es gibt Leute, die sagen, dass Apple mit dem App Store eine Software Revolution eingeläutet hat, andere sind davon nicht überzeugt. Meiner Meinung nach ist das Ganze nicht so einfach, da in diesem Modell verschiedene Faktoren zusammen kommen:

  • Das einfache Finden und Kaufen von Applikationen an einem einzigen Ort
  • Integration in einer einfachen Benutzeroberfläche mit einheitlichen Design- und Usability Konzepten
  • Eng kontrollierte Natur des App Stores, welche Apple aufrecht erhält

Somit gibt es auch verschiedene Kritikpunkte zu den einzelnen Prinzipien, die in anderen App Stores besser oder vermeintlich schlechter gelöst sind (gewisse Fanboys haben für jeglichen Ansatz außerhalb dieser Paradigmen schnell das Wort “Fail” parat).

An sich finde ich die Idee eines App Stores sehr gut, da man als Nutzer eine einzige oder zumindest zentrale Stelle für Programme hat, wo man sich relativ sicher sein kann, keine Malware oder Viren einzufangen. Ob das nun per Eigner des Stores (wie bei Apple) oder durch die Community gelöst wird (wie bei Android u.A.), ist mir relativ egal – einzig Transparenz ist dabei wichtig. Durch Ratingmechanismen und ein zentralisiertes Zahlungssystem werden weitere Probleme der virtuellen Softwareverbreitung gelöst. Bei Shareware und ähnlichen Quellen kommen schnell Fragen bezüglich der Sicherheit und dem Bezahungsmechanismus auf, die in App Stores elegant gelöst werden können.

Open vs. Closed

Nic Brisbourne argumentiert, dass Apple mit seinem Software Modell, dem geschlossenen Appstore und der sehr engen Kontrolle zur Zulassung der Applikationen langfristig in die falsche Richtung läuft (auch ein Diskussionsthema bei Marco Arment, einem Mikro-Celebrity in der Entwicklerszene). Seiner Meinung nach ist ein offenes Modell besser geeignet, um Innovationen zu fördern (er zitiert auch einen Artikel von Techdirt). Er rät daher Entwicklern:

At this point though the Apple solution is still far superior to anything else out there, and I don’t think we have yet reached the point of momentum shift, which makes it difficult to see past the iPhone and the app store.  As with all areas of business, there is no certainty, but given all of the above if I was running a startup in this space I would avoid coupling myself too tightly to the success of the iPhone and app store.

Qualität vs. Quantität

Jason Chen argumentiert auf Gizmodo, dass eine große Anzahl von komplexen iPhone-Spielen und -Applikationen wahrscheinlich auf sich warten lassen werden, da die Masse an iPhone Spielen zu niedrigen Preisen wenig Platz für teure Spiele (>10 Dollar) im Markt lässt. Seine Argumentation ist recht einfach:

Here’s the major reason: the price of apps. AppCubby maker of apps like GasCubby, just put up an analysis of the app store that says the new price ceiling is $5. It used to be $10. But according to him and other developers, the $10 price point is no longer sustainable, seeing as many previously $10-priced apps are now $3-$5.

There probably are two major co-existing reasons for the drop. One, older apps get price drops to lure in cheapskates. People who wanted them already bought them, and people who are holdouts will only jump on when the price is lowered. Two, older apps just get dropped because older titles (see Best Buy) get price drops.

But back to the main point. If $5 is the new standard price ceiling, developers aren’t going to be willing to devote time to their projects.

Wenn man die Preise der Spiele für mobile Konsolen wie PSP und Nintendo DS sieht, wird schnell klar, dass große Entwicklungsschritte auf einer neuen Plattform mit Vorsicht genossen werden, vor allem, wenn die Nutzer es nicht gewohnt sind, hohe Preise zu zahlen. Ein gutes Beispiel ist die Navigon Navigationssoftware, die das iPhone zum vollwertigen System inklusive turn-by-turn Anweisungen macht. Die Applikations kostet schlappe 99 Euro – und wird auch gekauft. Die Tatsache, dass sie in der offiziellen WWDC Pressekonferenz vorgestellt wurde, hilft dabei jedoch sicherlich enorm. Insgesamt ist die Applikation trotzdem recht weit abgeschlagen auf Platz 340 bei Mobclix, was keine enormen Verkaufssprünge erahnen lässt. Hinzu kommt hier die stark abnehmende Käuferzahl über Zeit, die bei iPhone Apps ein bekanntes Problem ist.

Browser vs. Apps

Google geht einen anderen Schritt und fokussiert sich zunehmend auf Webapplikationen anstelle von installierten Programmen. Da ich meine Masterarbeit über dieses Thema geschrieben hatte, gehöre ich sicherlich zu den Verfechtern von browserbasierten Applikationen, die eine große Menge an Vorteilen haben. Dazu gehören unter anderem die einfachen Updates, die überall zugänglichen Inhalte, der fehlende Anpassungsaufwand für verschiedene Systeme und mehr. Die Nachteile fehlender Lösungen zum Always-on sind seit iPhone und Android beinahe zu vernachlässigen und machen nur in wenigen kritischen Situationen Probleme.

Die Business Week gibt einen kurzen Überblick zu beiden Ansätzen und erklärt recht gut, warum Google und Apple sich so verhalten, wie es von ihnen zu erwarten ist. Wie schon beim Thema Chrome OS liegt der Charme für Google natürlich darin, mehr Nutzer ins Web zu bringen, wo die eigenen Anzeigen ausgeteilt werden können. Werbeumsätze machen nämlich weiterhin ca. 97% aller Umsätze des Suchmaschinenanbieters aus, jede Chance, diese Umsätze zu erhöhen, wird natürlich genutzt. Ich bin mir auch gar nicht so unsicher, dass Google den Chrome Browser entwickelt hat, um die Web-Experience nach den eigenen Vorstellungen kontrollieren zu können. Ein Adblocker funktioniert zumindest in Chrome nicht. Zitat BW:

Google’s promotion of Web-centric software development also serves its interests as much as those of users. The more smartphone users open their browsers to perform tasks, the greater chance they have of seeing Google’s ads, which are strewn across the Web. “Google wants things open, but the reason they want things open is because that allows a lot more devices to get into their sandbox,” says analyst Gold.

Am Ende zählt die Kontrolle

Zumindest die über die eigenen Umsätze. Google versucht, seine webzentrische Herangehensweise zu pushen, Apple fokussiert sich auf die Nutzerfreundlichkeit und die Apple Experience, die in diesem Fall den größten Umsatz verspricht. Die Probleme, die dabei auf Entwickler- und Nutzerseite anfallen, sind langfristig so nicht zu halten und werden sicherlich einiges an Umdenken erfordern. Bis dahin wird aber sicher noch das eine oder andere iPhone verkauft werden, schließlich gewinnt hier Apple weiterhin. Für Google ist die mobile Welt noch nicht so wichtig wie für Apple (Apple hat dieses Quartal doppelt so viele iPhones wie Mac-Rechner verkauft), außerdem kann Google seine Werbeumsätze auch auf iPhones verdienen.

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5 Comments

  1. Man sollte bedenken, dass der Hauptzweck der Marktplätze nicht ist, mit Anwendungen zu handeln und damit Geld zu verdienen oder Innovationen zu fördern. Dann wäre es tatsächlich problematisch, wenn langfristig die Einsendung qualitativ hochwertiger oder aufwändiger Software abnähme. Für Apple ist der App Store aber lediglich ein Marketinginstrument für die unterliegende Hardware. Solange damit weiter die Werbetrommel gerührt werden kann und mehr Stück iPhone/iPod Touch verkauft werden, erfüllt der App Store seinen Zweck. Dabei existieren zwei verschiedene Zielgruppen: Privatanwender und Unternehmen. Die Frage ist, will Apple iPhone und iPod Touch langfristig überhaupt zu einer Plattform für komplexe Anwendungen für Privatanwender entwickeln? Was du schreibst, betrifft aber wohl nur die Privatanwender. Für Unternehmen, z.B. Krankenhäuser, die den iPod Touch an Sensoren anschließen, wird die “magische Preisgrenze” wohl kaum eine Rolle bei der Entscheidung spielen. Dementsprechend sind Anwendungen für den professionellen Einsatz überhaupt nicht von obiger Problematik betroffen. Ich kann mir daher durchaus eine (gedankliche) Dreiteilung des App Stores vorstellen. Die Anwendungen mit niedrigen Preisen werden nur auf den Privatanwender abzielen. Alles, was preislich höher liegt, jedoch für den Privatanwender bei gegebenem Nutzen noch vertretbar ist, wird etwas mehr kosten, z.B. Task Manager. Dafür interessieren sich auch professionelle Anwender. Wofür sich ausschließlich professionelle Anwender interessieren – oder was ein Exot ist wie die Navi Software – das wird sich auch weiterhin gut zu hohem Preis verkaufen lassen.

  2. Ich denke da anders drüber – natürlich will Apple Innovationen auf dem Gerät
    fördern, sonst würden sie den App Markt nicht so pushen (siehe WWDC!). Klar,
    das Ziel ist der Verkauf von Hardware, aber wenn es nur darum ginge, könnten
    sie auch ein offenes Modell wählen oder sich einen Feuchten drum scheren.
    Mit den zusätzlichen Apps gibt es schließlich einen extrem starken Lock-in
    für alle Nutzer, die auf anderen Geräten nicht so gut bedient werden. Also
    sind komplexe und innovative Applikationen für Privatnutzer ein Muss (das
    heute releaste Monkey Island Spiel hat ca. 350MB, soviel dazu).
    Zusätzlich wird der App Store höchstens in 2 geteilt werden, alles ander
    passt nicht zu Apple. Bereits heute sind es ja im Prinzip 2 Klassen – free
    und paid Apps.
    Unternehmen und die von dir genannten Apps passen nicht in das Modell, das
    ich beschrieben habe. Dort ist der Vergleich schwerer, außerdem hat
    Microsoft dort eine viel längere Vorlaufzeit sowie viele andere Vorteile.
    Das ist sicher noch einen Post wert.

    2009/7/23 Disqus <>

  3. Apple pusht den App Markt, weil er ihre Erwartungen noch übertroffen hat. Da spielen sicher viele Faktoren mit ein. Ich meine, Apple sagt selbst, sein Fokus liege nicht darauf, Neues zu produzieren, sondern Bekanntes besser zu machen als alle anderen. Und jeder, der die Werbungen und die Produkte kennt, weiß auch, dass sie selbst das Gewöhnlichste überhaupt als Revolution anpreisen können.
    Ein offenes Modell konnten sie nicht wählen, weil sie ein Minimum an Qualitätsstandards halten wollen. Das passt völlig zur Unternehmenskultur.
    Ich habe nicht geschrieben, dass der App Store real noch weiter unterteilt werden wird, sondern die Teilung war, wie angemerkt, gedanklich. Im unteren Preissegment werden sich die Anwendungen befinden, die man zwischendurch kaufen kann und nicht wirklich braucht, z.B. relativ einfach zu implementierende aber innovative Spielideen. Das ist das Segment für den Käufer, der sein Telefon *auch* für etwas anderes benutzen möchte. Im mittleren Segment könnten sich die Anwendungen aufhalten, die mit ihrem Nutzen gerade noch so viele ködern können, dass sie sich rentieren. Dort wird glaube ich nicht viel Geld zu machen sein. Die Profite beginnen dann wieder im oberen Segment zu wachsen, bei professionellen Anwendungen. Gerade auf die und überhaupt den Geschäftsbereich wurde in den letzten Präsentationen ein deutlicher Schwerpunkt gesetzt.
    Und eben weil Unternehmen nicht in das Modell passen, aber mehr ins Visier des iPhone rücken, habe ich sie erwähnt. Was du schreibst, betrifft ja hauptsächlich die Entwickler, die vom Boom des App Store angelockt wurden und nun feststellen müssen, dass sie den Goldrausch verpasst haben. iPhone und iPod Touch, insbesondere iPhone, werden meines Erachtens niemals die Profite dedizierter Plattformen einnehmen können. Der billigste iPod Touch kann preislich zwar noch mit der Sony PSP konkurrieren. Doch wofür gibt es mehr gute Spieletitel? Wer kauft sich einen iPod Touch oder gar ein iPhone hauptsächlich wegen der Spiele? Ich vermute, den meisten Umsatz bringen Gelegenheitsanwendern ein, und die drücken den Preis.

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